Unsere Rede am 29.11.2019

Rede Parents for Future Heidelberg

Am Global Day of Climate Action, dem 29. November, waren in Heidelberg trotz Regen und Kälte ganze 9000 Menschen zur Demo gekommen. Ein deutliches Zeichen, dass so vielen Menschen, das Thema Klimaschutz wirklich wichtig ist! Auch wir haben wieder eine Rede gehalten, die im Folgenden im Wortlaut abgedruckt ist:

Mitte Oktober dieses Jahres veröffentlichten Luisa Neubauer und Alexander Repenning ein Buch mit dem Titel: „Vom Ende der Klimakrise“ – viele von Euch kennen es bestimmt. Sie schreiben darin: „Es ist die Vision eines anderen Morgen, die uns im Heute die Kraft zur Veränderung geben kann. Ohne diese Vision fehlt die Richtung, in die unsere Energie gelenkt werden kann.“ Das heißt, dass man ein Bild, eine Vision von der Zukunft braucht, um heute Kraft zu haben, dafür zu kämpfen.
Und genau so eine Vision wollen wir Euch deshalb heute geben. Denn Klimaschutz ist nicht nur Verzicht, sondern in letzter Konsequenz vor allem Gewinn und Verbesserung für jeden von uns! Wir nehmen Euch mit auf eine Zeitreise in die Zukunft in einen ganz normalen Tag…Wir laden Euch herzlich ein, unsere Reise in eurer Vorstellung richtig lebendig werden zu lassen.

Stellt Euch vor…

…ihr tretet in ca. 20 Jahren aus Eurer Haustüre hinaus… und erst einmal atmet ihr tief ein. Ihr könnt Euch gar nicht mehr so richtig erinnern, wann das war, als ihr zum ersten Mal gemerkt habt, das die Luft sich verändert hat. Sie ist irgendwie klarer geworden und fühlt sich an wie an einem geliebten Urlaubsort. Nicht nur Euch geht das so, auch anderen. Die Luftqualität hat sich stark verbessert, seitdem Autos mit Verbrennungsmotoren so selten geworden sind. Die Menschen bewegen sich jetzt anders fort. Der öffentliche Nahverkehr wurde extrem ausgebaut und jeder kann ihn sich leisten, da er stark subventioniert wird. Auch hier läuft alles elektrisch. Mit echtem Ökostrom natürlich, das ist gar keine Frage mehr. Aber die meisten Menschen haben das Fahrradfahren für sich entdeckt. Es gibt eine Menge Innovationen fürs Radfahren, so dass es auch bei schlechtem oder kaltem Wetter für viele die allerbeste Lösung ist. Auch ihr steigt jetzt auf euer Rad, um zur Arbeit zu kommen. Heute ist zum Glück ein angenehmer Tag, und ihr genießt den Fahrtwind auf Eurer Haut. Ihr fahrt auf den neuen Fahrradwegen und denkt, Ihr wärt in der Natur, obwohl ihr mitten in der Stadt seid – so geschickt sind sie in die Grünanlagen eingebettet.


Mal wieder versucht ihr Euch vorzustellen, wie das damals war, 2019, 2020, als die Geräuschkulisse in der Stadt vor allem durch den Verkehr bestimmt war. Es mag Euch nicht recht gelingen und es drängt sich Euch die Frage auf, wie das auszuhalten war. Jetzt, da der Verkehr um ein Vielfaches leiser ist, hört man ganz andere Geräusche. Vogelgezwitscher, Unterhaltungen, Hundegebell, Musik von irgendwo. Ein anderer Radfahrer, der sehr knapp an Euch vorbeifährt, reißt Euch aus Euren Gedanken. Ihr habt ein bisschen Mühe, das Gleichgewicht zu halten. Ihr seht, dass der andere Radfahrer sich zurückfallen lässt, bis er mit Euch auf einer Höhe ist. „Entschuldige, ich habe eben nicht aufgepasst. Ist alles okay?“ sagt er. „Ja, alles okay“ antwortet ihr, und Euer Ärger ist schon wieder verflogen. Die Menschen gehen anders miteinander um, denkt ihr. Besser. Auch diesen Eindruck teilen mittlerweile die meisten Menschen. Woran das liegt? Da gibt es viele Gründe, die in Frage kommen… Wir schlafen besser, wegen der geringeren Lärmbelastung. Wir leben insgesamt gesünder. Weil wir viel Fahrradfahren und fitter sind, aber auch, weil wir gesünder essen. Das hat sich aufgrund der CO2-Bepreisung letztlich so ergeben. Für manche war es tatsächlich eine Überraschung, dass die Nahrung, die für unsere Erde am verträglichsten ist, auch die Nahrung ist, die für uns am gesündesten ist. Fettleibigkeit, Herzinfarkte und andere Zivilisationskrankheiten gibt es praktisch nicht mehr. Anfangs waren viele unzufrieden mit dem Wandel, viele Bildungs- und Aufklärungskampagnen mussten finanziert werden. Doch letztendlich haben die meisten gesehen, wie viel Lebensqualität wir gewonnen haben.


Aber was neben einem besseren Allgemeinbefinden wahrscheinlich am meisten dazu beiträgt, dass die Menschen freundlicher zueinander geworden sind, ist ein anderes Lebensgefühl, das sich ausgebreitet hat. Das Verständnis, dass wir alle miteinander an einem Strang ziehen müssen. Das hat uns ungemein geeint.
Entscheidend war auch, dass es gelungen ist, die Menschen wirklich sinnvoll und gerecht für die CO2-Bepreisung zu entlasten. Vielen geht es besser als vorher. Es wurden mehr neue Arbeitsplätze geschaffen als abgebaut. Der deutschen Bevölkerung geht es gut.


Mittlerweile seid ihr fast bei Eurer Arbeitsstelle angekommen. Weil Ihr heute Morgen keine Zeit mehr hattet, Euch selbst ein Frühstück zu machen, besorgt ihr Euch noch schnell eines. Ihr bekommt Euren Coffee-to-go in einem Mehrwegbecher, so wie die meisten Lebensmittel. Die Auswahl an belegten Brötchen ist groß. Die meisten sind vegan, was mittlerweile aber nicht mehr besonders gekennzeichnet ist. Vielmehr besteht eine Kennzeichnungspflicht für Lebensmittel mit tierischen Bestandteilen. Nachdem ihr Euch entschieden habt, geht ihr zu Eurem Arbeitsplatz.


Auf dem Weg kommt ihr an einer besonderen Stelle vorbei. Es ist eine Art Gedenkstätte, eine Tafel im Boden. In der Mitte ist die Weltkugel, dargestellt in grün und weiß. Auf einem ebenfalls grünen Kreis um die Weltkugel herum steht in weißer Schrift etwas. Meistens kann man es nicht lesen, weil immer irgendwer dort Fotos macht. Meistens Interrail-Touristen, die in jeder Stadt so ein Bild machen. Heute ist niemand dort und man kann deutlich lesen:


FRIDAYS FOR FUTURE HEIDELBERG.


Ihr lächelt und erinnert Euch. Und werdet Euch nochmal deutlich bewusst, wie froh und dankbar ihr seid, dass es diese Bewegung gab. Im Nachhinein ist es schwer zu sagen, wann genau das Ruder herumgerissen werden konnte. Ob es war, als sich vermehrt Prominente der Bewegung anschlossen oder als mehr und mehr bekannt wurde, wie hinterhältig einige Lobby-Verbände versuchten, die Bevölkerung zu manipulieren. Fest steht auf jeden Fall: Die damals ganz jungen Menschen haben den größten Anteil daran, dass ihr mit eurem Kaffee hier stehen dürft, in Eurem ganz normalen Leben und empfinden dürft, was ihr empfindet: eine wunderbare Leichtigkeit und Zuversicht.


Und weil es hart ist, aus dieser Vorstellung heraus wieder zurück in die Realität zu kommen, schaut Euch um und werdet Euch der wunderbaren Menschen um Euch herum wieder bewusst. In der Gemeinschaft, die wir hier und heute erleben, und in unserer Überzeugung, dass Veränderungen positiv für alle gestaltet werden können, liegt unsere Kraft. Die Kraft, die wir brauchen, um weiterhin auf unserem neuen Weg zu bleiben und andere mitzunehmen.